Wien/Salzburg, Das Stromnetz ist nicht nur um ein ausgesprochen komplexes System, sondern auch eine kritische Infrastruktur. Zum besseren Verständnis bietet es sich an, durch abstrahierte Modelle eine Arbeitsgrundlage für alle Beteiligten zu erreichen. Das ermöglicht die strukturierte Entwicklung der verlangten Eigenschaften etwa im Hinblick auf die Sicherheit. Das im Herbst 2017 gemeinsam mit Industriepartnern gegründete „Zentrum für sichere Energieinformatik“ (ZSE) will die seit einigen Jahren an der FH Salzburg gesammelten Erfahrungen nun auch in anderen Branchen anwenden. Dazu Peter Lieber, Gründer und Inhaber von LieberLieber Software: „Wir freuen uns sehr, die seit 2014 laufende Kooperation im Bereich der modellbasierten Software- und Systementwicklung mit der FH Salzburg nun in einem eigenen „Zentrum für Sichere Energieinformatik“ fortsetzen zu können. Gerade auch als Präsident des Verbandes Österreichischer Software Industrie ist es mir ein großes Anliegen, den österreichischen Beitrag im Bereich Software anhand so konkreter Erfolgs- und Zukunftsprojekte zu verdeutlichen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die meisten Erfolgsstorys der Zukunft auf Software basieren werden. Es wird bald kaum mehr ein Unternehmen geben, bei dem Software nicht eine entscheidende Rolle spielt.“
Mit Modellen Systeme besser verstehen
Wie im Bereich des intelligenten Stromnetzes (Smart Grid) werden heute in allen Branchen sowohl die Systeme wie auch die sie steuernde Software immer komplexer. Um im Entwicklungsprozess weiter den Überblick zu behalten, sind daher neue Methoden notwendig. Hier bietet sich die modellbasierte Entwicklung an: Grafische Modelle sind leicht verständlich, dokumentieren jeden Entwicklungsschritt und ermöglichen die jederzeit nachweisbare Einhaltung von Vorschriften und Normen. In einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Unity AG heißt es dazu mit Blick auf die Automobilindustrie: „Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass alle genannten Herausforderungen auf zwei Aspekte weisen: Komplexe, vernetzte Zusammenhänge und hohe Veränderungsgeschwindigkeit. Beides wird nicht mit heutigen Entwicklungsmethoden händelbar sein. Stattdessen gilt es, auf einem fachbereichsübergreifend implementierten Systems Engineering-Fundament, neue und durchgängig modellbasierte Prozesse zu etablieren“ (S.12). Modelle haben sich in anderen Branchen wie Maschinenbau oder Bauwesen seit langer Zeit bewährt und werden also nun auch die Softwareentwicklung in allen Branchen grundlegend verändern. „ Wir freuen uns, unser Know-how in dieses zukunftsweisende Zentrum einbringen zu können. Das ist ganz im Sinne unserer Unternehmensphilosophie, die darauf abzielt, im Bereich der modellbasierten Software- und Systementwicklung nur state-of-the-art Methoden in der Praxis anzuwenden“, erläutert Lieber.
SGAM-Toolbox als Basis für weitere Entwicklungen
Die Arbeit am ZSE steht mit der Pionierentwicklung SGAM-Toolbox auf einem sehr guten Fundament, denn dieses Werkzeug wird bereits international von verschiedenen Stromnetzbetreibern genutzt und steht weiter kostenlos zum Download zur Verfügung. Die SGAM-Toolbox ermöglicht die Integration des europäischen Smart Grid Architecture Models (SGAM), das Ende 2012 im Rahmen des EU-Standardisierungsmandates M/490 des europäischen Komitees für elektrotechnische Normung realisiert wurde, in einen modellbasierten Entwicklungsprozess. Christian Neureiter, Senior Lecturer am ZSE der FH Salzburg: „Unsere Lösung erleichtert die Arbeit mit komplexen Smart Grid Systemen wesentlich. Neben einer Unterstützung bei den elementaren Entwicklungsschritten Analyse, Architektur, Design und Implementierung ermöglicht die Toolbox eine konsistente und strukturierte Darstellung der zu realisierenden Systeme und liefert gleichzeitig eine Basis für eine strukturierte Auswertung maßgeblicher Kennwerte.“
Im ZSE geht es nun um die Übertragbarkeit der bisher erzielten Ergebnisse auf die Anwendungsfelder Automobil-Entwicklung, Smart Cities und Industrie 4.0. „Noch ist die modellbasierte Entwicklung vorwiegend in Pionierunternehmen im Einsatz. Nun ist aber die Zeit reif, diese leistungsfähige Methode breiter im Markt anzuwenden und so Entwicklungen überhaupt erst zu ermöglichen, die heute dringend gebraucht werden. Damit bricht für die Software- und Systementwicklung eine neue Ära an, auf die wir als LieberLieber schon lange hingearbeitet haben“, so Lieber abschließend.
Das ZSE an der FH Salzburg beschäftigte sich als Nachfolgeorganisation des „Josef Ressel Zentrums für anwenderorientierte Smart Grid Privacy, Security und Steuerung“ bisher insbesondere mit den Themen intelligente Stromnetze. Als Firmenpartner sind am ZSE beteiligt: BOSCH, COPA-DATA, LieberLieber Software, Salzburg AG, Salzburg Wohnbau, Siemens Österreich sowie Successfactory. Diese Partner ermöglichen die Untersuchung der Übertragbarkeit der bisher erzielten Ergebnisse auf die Anwendungsfelder Automobil-Entwicklung, Smart Cities und Industrie 4.0. Erster Erfolg dabei war die vom ZSE entwickelte Toolbox für SGAM (Smart Grids Architektur Modell). Vereinfacht gesagt: was für den Häuslbauer das CAD-Programm ist, erledigt in der digitalisierten Energiewirtschaft nicht mehr Papier und Bleistift, sondern eben die SGAM-Toolbox. Diese Entwicklung aus Salzburg ist bereits international im Einsatz, von mitteleuropäischen Stromnetzbetreibern bis nach Kanada.
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