Wenn sich das Modellbasierte Systems Engineering (MBSE) auf breiter Basis in der Industrie durchsetzen soll, muss der MBSE-Datenaustausch (Sprache: SysML) zwischen verschiedenen Werkzeugen reibungslos funktionieren. Daher arbeitet LieberLieber sowohl bei Prostep ivip als auch rund um OpenMBEE (Projekt MTIP) an dieser Aufgabe aktiv mit.
Wien, Darmstadt, Milford (USA), 7. September 2022 – Am Prostep Symposium 2022 präsentierte das SysML Workflow Forum (SysML-WF) kürzlich den Stand seiner Arbeit. Erklärtes Ziel der seit 2017 tätigen prostep ivip Projektgruppe SysML-WF besteht darin, industrielle Bedürfnisse und Anforderungen sowohl an die Systems Modeling Language (SysML) als auch an die SysML-Tools zu identifizieren. Mit Hilfe des besonders industrierelevanten Use Cases „Unternehmensübergreifender Modellaustausch im gesamten Entwicklungszyklus (Requirements-Management bis Verifikation und Validierung)“ wird untersucht, inwieweit die heutigen Lösungen und die Modellierungssprache die Bedürfnisse der Nutzer unterstützen und was für die volle industrielle Anwendbarkeit von SysML im Kontext des Modellaustausches in Zukunft erreicht werden muss. Dafür erhob die Projektgruppe den aktuellen Stand der Technik und entwickelte mit Industriepartnern Vorführbeispiele.
Daniel Siegl
bei LieberLieber für die Partnerbetreuung und den Markt USA verantwortlich
Auf dem Weg zu einer konkreten Umsetzung
Nach diesen Vorarbeiten wird in dem vor etwa einem Jahr gegründeten SysML Implementor Forum (SysML-IF) unter den Toolherstellern an einer Lösung gearbeitet. Für ein konkretes Umsetzungsprojekt fehlt derzeit allerdings noch die Finanzierung. Daniel Siegl von LieberLieber hat (gemeinsam mit Dirk Denger von AVL) den Vorsitz in dieser Projektgruppe: „Um unsere wichtigen Vorarbeiten nun näher zu einer industriefähigen Umsetzung zu bringen, suchen wir aktuell weiter nach einem Industriepartner, der die ja nicht sehr hohen Projektkosten übernimmt. Bisher ist das leider nicht gelungen und wir arbeiten derzeit an einem Empfehlungs-Dokument, um die Richtung unseres Lösungsansatzes klarer zu verdeutlichen.“ Siegl fügt hinzu, dass für den Austausch von MBSE-Daten jedenfalls auch ein gutes Diff-Merge-Werkzeug vorhanden sein muss, das mit den entstehenden Daten entsprechend umgehen kann. LieberLieber hat dafür LemonTree entwickelt, das sich vor allem als Plugin für Enterprise Architect (Sparx Systems) in der Industrie immer mehr verbreitet.
OpenMBEE hat bereits einen Vorsprung
Siegl sieht derzeit allerdings für das amerikanische OpenMBEE-Projekt einen klaren Vorsprung, den hier existieren bereits Austauschmöglichkeiten zwischen den in der Industrie weit verbreiteten Modellierungs-Plattformen Enterprise Architect und Cameo Systems Modeler. Die Austausch-PlugIns wurden von der gemeinnützigen Aerospace Corporation entwickelt, und in das OpenMBEE Projekt übernommen.
OpenMBEE (Open Model Based Engineering Environment) ist eine Open-Source-Software, die es ermöglicht, in der gewünschten Entwicklungssprache zu arbeiten und das Ergebnis mit anderen Tools zu teilen und zu dokumentieren. Sie enthält auch Plugins oder Erweiterungen für kommerzielle Tools. So soll eine einheitliche Modellierungsumgebung entstehen, die den freien Austausch von MBSE-Daten ermöglicht.
Die Aerospace Corporation ist eine gemeinnützige, amerikanische Gesellschaft, die ein staatlich finanziertes Forschungs- und Entwicklungszentrum in El Segundo, Kalifornien, betreibt. Das Unternehmen bietet Kunden technische Anleitung und Beratung für Weltraummissionen. In ihrem Projekt „Modeling Tool Integration Plugins“ (MTIP) entstand das MTIP für Enterprise Architect und Cameo. Das Plugin ermöglicht den freien Austausch von SysML-Modellen zwischen den Werkzeugen und umfasst Elemente, Beziehungen und Diagramme. Objekttypen werden auf ein gemeinsames SysML-Metamodell abgebildet und über das Huddle Unified Data Schema (HUDS) V2 Extensible Markup Language (XML)-Format exportiert/importiert.
Florian Beer von Bosch (links) und Daniel Siegl hielten beim Prostep ivip Symposium 2022 einen gemeinsamen Vortrag zum Thema „DevOps für MBSE bei Bosch“
Infobox
Die Systems Modeling Language (SysML)
SysML ist eine grafische, auf UML basierende, standardisierte Modellierungssprache. Ihre Anwendung findet sie im Bereich Systems Engineering für die Modellierung komplexer Systeme (Cyber-Physical Systems). 2003 wurde von der Object Management Group (OMG) in Kooperation mit dem International Council on Systems Engineering (INCOSE) eine Arbeitsgruppe für SysML ins Leben gerufen. SysML wurde 2006 von der OMG als „Final Adopted Specification“ anerkannt und 2007 als SysML Version 1.0 offiziell veröffentlicht. Für die aktuelle Version 1.6 sind die Vorsitzenden (chairs) der SysML Arbeitsgruppe:
- Yves Bernard (Airbus)
- Robert Karban (NASA JPL)
- Tim Weilkiens (oose Innovative Informatik eG)
Derzeit wird intensiv an der Entwicklung von SysML 2.0 gearbeitet. Im Gegensatz zu SysML 1.x ist bei 2.0 die Austauschbarkeit der Modelle zwischen den Werkzeugen eine wesentliche Anforderung. Wie das in der Praxis funktioniert, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.
Nach zwei Jahren Pandemie und Online-Veranstaltungen fand das prostep ivip Symposium im 25. Jubiläumsjahr endlich wieder live statt – zur Freude unserer gesamten Community.
Prostep ivip
Der prostep ivip Verein wurde 1993 gegründet und hat sich der Entwicklung von zukunftsweisenden Lösungsansätzen und Standards für das Produktdatenmanagement und die virtuelle Produktentstehung verschrieben. Dabei bündelt er die Interessen von Herstellern und Zulieferern der Fertigungsindustrie, sowie IT-Anbietern in enger Kooperation mit Wissenschaft und Forschung, um seinen Mitgliedern langfristige Wettbewerbsvorteile durch effizientere Prozesse, Methoden und Systeme zu ermöglichen.
Ausgangspunkt war die gemeinsame Entwicklung des Datenformats STEP (ISO 10303). Seit 2003 ist die integrierte virtuelle Produktentstehung (iViP) eines der Vorreiterthemen. Bis heute ist es ein wesentliches Anliegen des Vereins, für seine Mitglieder neue Ansätze der durchgängigen Prozess-, System- und Datenintegration zu entwickeln und alle Produktentstehungsphasen digital zu unterstützen.
Im Juni 2022 richtete sich der Verein strategisch neu aus, um seine Mitgliedsunternehmen bei der digitalen Transformation effizienter zu unterstützen. Ziel des neu gewählten Vorstands und der Geschäftsleitung des Vereins ist es, die Digitalisierungsvision zu schärfen, Themenfeld wie Software im Produkt oder Data Engineering stärker zu adressieren und neue Zielgruppen zu gewinnen. Außerdem wird der Verein die Internationalisierung weiter vorantreiben.